Mehr Intelligenz, weniger Beton

Geld

Die Pandemie und der Ukrainekrieg mit seinen Folgen sind zwei wichtige, aber nicht die einzigen Treiber der Erhöhung der Kosten für den Staat. Der Bundesrat sucht daher Einsparungsmöglichkeiten. Alle Departemente müssen ihre Ausgaben überprüfen. Zudem hat eine vom Bundesrat eingesetzte Expertenkommission Vorschläge für Einsparungen erarbeitet. Sie betreffen auch die Mobilität, Forschung und Innovation. Das betrifft auch die Entwicklungsmöglichkeiten von mybuxi – und damit die Aufgaben des Fördervereins. 

Einstellung von Förderprogrammen

mybuxi arbeitet seit Beginn eng mit den Bundesbehörden zusammen und hat auch Fördermittel erhalten. Im Frühjahr 2024 hat mybuxi zusammen mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) einen Förderantrag bei «KOMO» (Förderstelle von 6 Bundesämtern für nachhaltige Mobilität) gestellt. Doch statt eines Bescheids zur Förderung erhielten die Projektpartner ein Schreiben, dass die Förderstelle aufgehoben wird. 

Die Expertengruppe um Serge Gaillard hat in ihrem Bericht, der am 4. September 2024 dem Bundesrat übergeben wurde, weitergehende Vorschläge für Einsparungen gemacht. So sollen auch Innosuisse und dem Schweizerischen Nationalfond die Mittel gekürzt werden. Damit wird es schwierig werden, künftig Fördermittel für die Weiterentwicklung von neuen Mobilitätsangeboten über die staatlichen Förderstellen zu erhalten. Ähnlich sieht es bei den Kantonen aus. 

Mehr Intelligenz, weniger Beton

Weiterhin viel Geld wird jedoch in den Ausbau der Infrastrukturen fliessen: sowohl für den Schienen wie für den Strassenausbau sind sehr grosse Beträge geplant. Hier werden Kapazitäten für die Spitzenzeiten geschaffen, die die wirtschaftlich unsinnige, schwache Nutzung von Autos zementieren werden: in den Hauptverkehrszeiten sind die Autos nur mit 1.1 Personen besetzt. Mit einer Vergrösserung der Kapazität der Strassen gibt es gar keinen Anreiz, über ein anderes Verhalten auch nur nachzudenken.

Da die Autos in den letzten Jahren auch immer schwerer und grösser geworden sind, müssen in der Folge dieser Ausbauten aber auch viel weitere Verkehrsinfrastrukturen aus- und umgebaut werden. Die 5 Milliarden Franken für die aktuell geplanten Ausbauten der Nationalstrassen sind damit nur ein kleiner Teil des Geldes, das für die Strasseninfrastrukturen nötig wird, sozusagen die Spitze des Eisbergs. Denn «nach der Ausfahrt» von der Autobahn müssen die Fahrzeuge ja auch weiterfahren und irgendwo parkieren können. Weitere Umfahrungsstrassen und Parkplätze werden also folgen. Da die Schweiz nur beschränkt Platz hat, werden bei vielen dieser Infrastrukturen Kunstbauten wie Brücken und Tunnels gebaut werden müssen, die hohe Unterhaltskosten haben und damit den künftigen finanziellen Spielraum noch weiter einschränken.

Für die Entwicklung neuer Mobilitätsangebote wird also künftig noch weniger Geld übrig sein. 

Die Schweiz war schon mal weiter: Alain Urech, anfangs der «Nullerjahre» Chef der SBB-Infrastruktur, hat dies mit dem Satz «Intelligenz statt Beton» ausgedrückt. Er gab das Ziel aus, mit intelligenten Systemen die Kapazität der Bahn um 30 % zu erhöhen – ohne Baumassnahmen. Die SBB waren mit dem Programm sehr erfolgreich. Das, unter anderem, daraus entstandene  «Rail Control System» (RCS) wurde auch in andere Länder verkauft – intelligente Systeme sind ein Exportschlager. Das kann man vom Tiefbau nicht unbedingt behaupten. 

Ein kleine Rechnung

Der Betrieb des ersten mybuxi in einer Region kostet alles in allem für 365 Tage mit 18 Stunden täglicher Betriebszeit rund CHF 200’000, die weiteren Fahrzeuge sind dann günstiger. Stand 2024 kann ein mybuxi-Minibus, der gesetzlich noch auf 8+1 Sitzplätze beschränkt ist (max 8 Passagiere plus FahrerIn), im Durchschnitt 100, in der Spitze über 200 Fahrgäste befördern. Mit weiteren Optimierungen werden 300 Personen pro Tag erreicht werden. 

Um ein flächendeckendes Angebot in der Schweiz zu betreiben, braucht es rund 3’000 Fahrzeuge. Das bedeutet, sehr grosszügig gerechnet, jährliche Kosten von 500 Millionen Franken. Mit diesem Geld kann knapp 1 Million Fahrgäste pro Tag transportiert werden – mit den heute noch gesetzlich vorgegebenen kleinen Fahrzeugen. Werden auch grössere Fahrzeuge erlaubt, steigt diese Zahl. 

Mit dem Geld, das aktuell für den Autobahnausbau vorgesehen ist, – rund 5 Milliarden Franken  – könnte man also auch 10 Jahre lang jeden Tag 1 Million Menschen transportieren – und sie würden gratis fahren!

Viele dieser Menschen sind heute auf das Auto angewiesen, weil es an ihrem Ausgangs- oder Zielort keine Alternative gibt. Mit einem solchen «erste und letzte Meile» Angebot könnten also viele Autofahrten ersetzt werden, entweder zu einem öV-Anschluss oder für Alltagswege. Damit müssten die Strassen auch nicht oder zumindest nicht in diesem Mass ausgebaut werden. 

Weitere «Nebeneffekte»: 

  • der verbleibende Strassenverkehr wird flüssiger – «gerne-Autofahrer» können das Fahren wieder geniessen, statt im Stau auf das Infotainment-System angewiesen zu sein
  • da heute rund 50% der mybuxi-Fahrten an einem Bahnhof beginnen oder enden, darf erwartet werden, dass der öV besser genutzt wird – und damit sein Subventionsbedarf sinkt. 

Fazit

Logisch gesehen müsste die Schweiz zuerst neue Mobilitätsangebote entwickeln, die die Belastung der Infrastrukturen zu Spitzenzeiten reduziert. Dann können die immer noch nötigen Infrastrukturkapazitäten geschaffen werden, die aber wahrscheinlich an anderen Orten nötig werden. 

Solche intelligenten Mobilitätsangebote können – wie RCS – auch im Ausland verkauft werden und stärken damit die Schweizer Volkswirtschaft. Das kann mit «dummen Infrastrukturen» kaum erreicht werden. 

Das Weggli und s’Füfi wird es nicht geben. Wir müssen uns entscheiden: mehr Intelligenz, oder mehr Beton?

Da die Wahrscheinlichkeit klein ist, dass die offizielle Schweiz den Mut aufbringen wird, neue Wege zu gehen, werden wir mit dem Förderverein die Lücke schliessen. Dafür brauchen wir schnell die Menschen als Unterstützer, die ein intelligentes Mobilitätssystem bevorzugen. Wer weiss: wenn wir schnell genug sind, erübrigen sich vielleicht noch einige Ausbauprojekte.

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